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80 Jahre Mozart-Gemeinde in der Tschechischen Republik

Die Geschichte der heutigen Mozart-Gemeinde in der Tschechischen Republik begann einige Jahre nach der Entstehung der eigenständigen Tschechoslowakischen Republik und ihre Gründung steht mit der bewegten Geschichte der Bertramka in engsten Verbindung. Am 1. August 1925 ging die Bertramka nämlich – als Erbe – in den Besitz der Salzburger Internationalen Stiftung Mozarteum über. Dies war für die Bürger der neuen Republik, die bestrebt waren, die gesamte tschechische Gesellschaft zu „deaustrifizieren“, ein bitterer Happen. Eine Initiative von Prager Mozartianer mit dem administrativen Verwalter des Prager Konservatoriums, Dr. Jan Branberger, an der Spitze, trat deshalb mit der Salzburger Stiftung in Kontakt und stellte fest, dass diese bereit war, diese Prager Mozart-Gedenkstätte zu verkaufen. Um dieses Vorhaben jedoch umzusetzen, musste man zuerst einmal eine entsprechende Organisation schaffen. Deshalb wurde für den 25. Mai 1927 in die Aula des Prager Konservatoriums die Gründungsversammlung der Mozart-Gemeinde in der Tschechoslowakischen Republik einberufen. Zum Ausschussvorsitzenden wurde Dr. Branberger gewählt, zum "Hausverwalter" (= der Bertramka) Dr. Jaroslav Patera, die tschechischen Musiker repräsentierte der Professor des Konservatoriums Karel Hoffmeister, und unter den Ausschussmitgliedern waren auch die deutschen Musikpublizisten Dr. Ernst Rychnowsky (der Verfasser der ersten deutschen Monographie über B. Smetana) und Dr. Erich Steinhard, der später ein Opfer der NS-Konzentrationslager wurde. Die mächtige Bankenwelt, die im Folgenden ein großes Verdienst am Kauf der Bertramka hatte, war im Ausschuss durch den Direktor der Union-Bank Ludvík Neumann und den mächtigen Hans Petschek vertreten. Durch die Beteiligung des Mitinhabers eines Graphikbetriebes in Prag-Smíchov, Miroslav Neubert, im Ausschuss sicherte sich die Mozart-Gemeinde für die folgenden Jahre den kostenlosen Druck von Werbedrucken, Legitimationen usw. Geschäftsführer des Vereins wurde Dr. Vlastimil Blažek, Archivar der Familie Lobkowitz und gleichzeitig Leiter des Archivs des Prager Konservatoriums. Die „Gründungsväter“ der Mozart-Gemeinde waren Persönlichkeiten mit einem großen Überblick und einer starken kulturellen Verantwortung. Sie verhandelten intensiv mit dem Mozarteum, dem das Geld für die Bertramka ohne jegliche Anstrengung in den Schoß fallen sollte. Die Stiftung verlangte 343.000 Kč, zahlbar in Dollar. Leoš Janáček verärgerte diese Forderung derart, dass er am 1. Mai 1928 eine Feuilleton unter dem Titel Es läutet die Klingel. Wer hat geläutet? Nun, die alte verrostete Klingel an der Bertramka: „… sie erzählt von der Schande und der Gier der Salzburger, die nun für die Abtretung des Vermögens an die Mozart-Gemeinde in Prag, die sich der Rettung des denkwürdigen Gebäudes der Bertramka angenommen hat, 343.000 K verlangt.“ Da das Mozarteum entschlossen war, das einfach verdiente Geld aus Prag für eigene dringende bauliche Veränderungen in Salzburg zu verwenden, ließ es sich im Kaufvertrag vom 8.1.1929 auf eine gewisse Modifizierung ein: vom geforderten Betrag mussten schließlich 75.000 Kč nicht ausgezahlt werden, allerdings unter der Bedingung, dass die Prager Mozart-Gemeinde dem Mozarteum diesen Betrag nachträglich würde entrichten müssen, falls sie die Bertramka verkaufen, sie verschenken oder an einen Dritten abtreten würde. (Es gehört zu den historischen Kuriositäten, dass gerade dieser Paragraph des Vertrages später in Zeiten der kommunistischen Totalität die Mozart-Gemeinde vor der Auflösung bewahrte!) Für die Mozart-Gemeinde und ihr Ansinnen, die Bertramka zu kaufen, war es ein großes Glück, dass sich die Mentalität der tschechischen Gesellschaft zur Zeit der 1. Republik deutlich von der in heutiger Zeit unterschied: unter den Unternehmern und der Ministerialbürokratie gab es genügend kulturell reife Menschen, die bei diesem Vorgang wirksam Hilfe zu leisten vermochten. (Ein Beispiel für viele: der Fabrikant František Slavík aus Hrochův Týnec stiftete zur Reparatur des Daches der Bertramka die Dachtaschen.) Auch einige tschechische und ausländische Musiker wie z. B. das Tschechische Quartett oder die Cembalistin Wanda Landowska ließen ihre Konzerthonorare auf das Konto der Mozart-Gemeinde schicken. Als gesellschaftlichen Höhepunkt vieler Gesten der Solidarität mit dem Projekt der Mozart-Gemeinde kann das Konzert der Tschechischen Philharmonie gewertet werden, das am 28. Dezember 1931 unter der Schirmherrschaft von Präsident T.G. Masaryk und unter der Leitung von Georg Szell stattfand. Trotz allem musste die junge Mozart-Gemeinde wegen des Kaufs der Bertramka ihr Konto mit einem recht hohen Darlehen belasten. In den folgenden Jahren ließ sie das gesamte Objekt der Bertramka und den Garten wieder herrichten, sie veranstaltete einige Ausstellungen, eröffnete eine eigene Publikationstätigkeit usw., doch der Einfall der NS-Einheiten fror diese kulturellen Aktivitäten für sechs Jahre ein. Das Amt des sog. Reichsprotektors zwang den Ausschuss der Mozart-Gemeinde dazu abzutreten (das Ausschussmitglied Ing. Boh. Libánský erlitt den Märtyrertod im Konzentrationslager Mauthausen), im neuen Ausschuss durften nur Deutsche sitzen. Die Bertramka wurde von den Okkupanten als „Bertramhof“ bezeichnet, man war bestrebt, sie als Teil einer ausschließlich deutschen Kulturtradition zu präsentieren. Nach dem Fall des Naziregimes nahm die Mozart-Gemeinde erneut ihre Tätigkeit auf, doch nach dem kommunistischen Putsch im Jahre 1948 brachen wieder schlimme Zeiten an. Das bolschewistische System, das sich im Jahre 1951 durch ein neues Vereinsgesetz die rechtlichen Grundlagen dafür schuf, jeglichen Verein nach Belieben auflösen zu können, traf im Falle der Mozart-Gemeinde und ihres Vermögens auf ein ungewöhnliches Hindernis: wollte man die Bertramka konfiszieren, musste man – unter Berücksichtigung des erwähnten Passus´ des Kaufvertrages aus dem Jahre 1929 – dem Mozarteum eine nicht zu vernachlässigende Summe in Valuta zahlen. Deshalb ließ man die Mozart-Gemeinde lieber existieren, jedoch stets unter strenger Aufsicht und mit der Auflage, dem Magistrat alljährlich schriftliche Tätigkeitsberichte vorzulegen. Im September 1955 teilte das Kulturministerium der Mozart-Gemeinde mit, es habe eine Sonderkommission ernannt, „die - mit Ihrer Zustimmung – das Verfügungsrecht über das Vermögen der Mozart-Gemeinde (also auch das Finanzvermögen) hat …“. Die mutigen Mitglieder des damaligen Ausschusses der Mozart-Gemeinde erhoben in dieser Angelegenheit sogar Klage, die kommunistischen Gerichten fegten diese jedoch vom Tisch, und die eingesetzte Kommission ging mit sämtlichem Sachvermögen der Mozart-Gemeinde um, als sei es konfisziert. Das musikhistorische Archiv wurde ohne jegliche Absprachen beschlagnahmt und in die Sammlungen der Musikabteilung des Nationalmuseums eingegliedert. Bei der Konfiszierung wurden die Werke nicht einmal erfasst. Erst am 15.6. 1967 wurde ins Buch über die Zugänge zur Musikabteilung des Nationalmuseums eingetragen „etwa 1700 Musikalien aus der Bertramka“, in die Rubrik „Art des Erwerbs“ schrieb man die Angabe „Übertragung“. Das kommunistische System zwang dann die Mozart-Gemeinde dazu, auf 25 Jahre einen Vertrag mit dem Nationalmuseum abzuschließen, nach dem der Mozart-Gemeinde formal die Eigentumsrechte erhalten blieben, die „operative Verwaltung“ der Bertramka aber das Museum übernahm. Der Mozart-Gemeinde blieb ein Raum im sog. Speicher, und sie durfte zehnmal pro Jahr in der Bertramka Konzerte veranstalten. Ab dem Beginn der 80-er Jahre dachte der Staatsapparat darüber nach, wie man die Bertramka diesem „privaten Verein“ entziehen könnte, und schließlich beschloss man, die Mozart-Gemeinde zum Staatsschuldner zu erklären, um diese – nicht näher spezifizierten - Schulden zu begleichen, solle die Gemeinde die Bertramka dem Staat schenken. Die Vorsitzende der Mozart-Gemeinde, Prof. Jitka Snížková, hielt diesem Druck bis zum 16. Januar 1986 stand, als sie auf dem Nationalausschuss von Prag-Smíchov die sog. Schenkungsurkunde unterzeichnete. Die Rechtsunwirksamkeit sicherte sie dadurch ab, dass sie – für den Fall, dass sich der Staat wieder in eine Demokratie verwandeln würde – die Urkunde ohne Beratung und Auftrag der Mitgliederversammlung der Mozart-Gemeinde unterzeichnete – und dies war für jegliche Bewegung von Eigentum der Mozart-Gemeinde in der Satzung vorgeschrieben. Prof. Snížková starb kurz vor dem Fall des totalitären Systems. Es ist bemerkenswert, dass bereits am 25. November 1989 – zur selben Zeit, zu der die große, gegen das System gerichtete Manifestation auf der Letná-Ebene stattfand – auf der Bertramka eine Mitgliederversammlung der Mozart-Gemeinde in der Bertramka tagte, die einen neuen Ausschuss wählte und ihn betraute, unverzüglich alles zu unternehmen, damit die Bertramka und weiteres konfisziertes Sachvermögen in das Eigentum der Mozart-Gemeinde zurückkehrten. Es begann ein Kampf, den die Mozart-Gemeinde bis heute führt, bereits siebzehn Jahre lang! Am 14. Juli 2004 entschied das Verfassungsgericht als höchste gerichtliche Instanz der Tschechischen Republik, dass die Bertramka der Mozart-Gemeinde zurückgegeben werden soll, doch bis heute ist dies nicht geschehen.

Tomislav Volek