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Befund des Verfassungsgerichtes

 

 

Das Verfassungsgericht der Tschechischen Republik beschloss im Senat in der Sache der Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin Mozartgemeinde in der CR, vertreten durch die Anwältin JUDr. H.T., gegen das Urteil des Bezirkshandelsgerichtes in Prag vom 14. 4. 2000 und gegen das Urteil des Obersten Gerichtes in Prag vom 17. 1. 2001 folgendes:

I. Durch das Urteil des Bezirkshandelsgerichtes in Prag vom 14. 4. 2000 und das Urteil des Obersten Gerichtes in Prag vom 17. 1. 2001 wurde das im Artikel 36 Abs. 1 der Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankerte Grundrecht der Beschwerdeführerin verletzt.

II. Beide Urteile der genannten Gerichte werden deshalb aufgehoben.

 

Begründung

Durch die Verfassungsbeschwerde vom 3. 5. 2001 forderte die Mozartgemeinde in CR (nachstehend nur als "Beschwerdeführerin") die Aufhebung des Urteiles des Obersten Gerichtes in Prag vom 17. 1. 2001, durch welches das Urteil des Bezirkshandelsgerichtes in Prag vom 14. 4. 2000 bestätigt wurde. Durch das Urteil des Bezirkshandelsgerichtes wurde die Feststellungsklage der Mozartgemeinde gegen den angeklagten Stadtteil Prag 5 auf die Feststellung des Eigentums der Liegenschaften, die im Liegenschaftskataster des Katasteramtes Praha für das Katastergebiet Smíchov, eingetragen auf dem Eigentumsblatt 2954, Flurstücknummer 2755, Hausnr. 169, Flurstücknummer 2756 und 2757 eingetragen sind, abgelehnt.

In der Begründung der Verfassungsbeschwerde gab die Beschwerdeführerin an, dass bei der Beschlussfindung in der gegenständlichen Sache ihr durch den Artikel 11 der Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten (nachstehend nur als "Konvention") begründetes Eigentumsrecht verletzt wurde. In den angefochtenen Beschlüssen wurden alle erfolgten Beweise nicht ordentlich beurteilt. Die Gerichte beider Instanzen konzentrierten sich nur darauf, ob die Unterzeichnung des Schenkungsvertrages, durch welchen die oben genannten Liegenschaften (nachstehend auch „Bertramka“) dem Staat geschenkt wurden, unter den in der Bestimmung des § 37 ZGB genannten Bedingungen erfolgte, und ließen alle anderen Beweise ganz außer Acht. In ihren Beschlüssen übernahmen sie die Rechtsverteidigung der Angeklagten, dass der einzige Grund für die Schenkung von „Betramka“ dem Staat der schlechte technische Zustand der Liegenschaft war, zu dessen Verbesserung es der Beschwerdeführerin an eigenen finanziellen Mitteln mangelte. Die Vorsitzende der Mozartgemeinde, Prof. J.S., hatte nie die Übertragung von "Bertramka" ernsthaft in Betracht gezogen und zum Angebot über die Schenkung im Schreiben vom 9.1.1986 wurde sie nur durch einen andauernden Druck seitens des Kulturministeriums, des Finanzministeriums, des Nationalmuseums und der Organe der Staatspolizei samt Organisationseinheiten der Kommunistischen Partei sowie durch Androhungen beruflicher und anderer Nachteile ihr selbst und ihren Familienangehörigen gegenüber gezwungen. Da J.S. nicht mehr lebt, können keine konkreten Personen namhaft gemacht werden, die mit ihr damals über „Bertramka“ verhandelten. Dass die Angst von J.S. berechtigt war, bezeugt auch die Tatsache, dass sie fürchtete, über diese Personen zu sprechen und diese nur sehr unkonkret erwähnte. Die genannte machte die Gemeindemitglieder weder mit den näheren Umständen ihrer Handlungen noch mit der Tatsache bekannt, dass „Bertramka“ dem Staat übertragen werden sollte. Dass J.S. den Schenkungsvertrag unter dem oben genannten Druck schloss, bezeugt auch die Tatsache, dass sie den Vertrag unterzeichnete, ohne diesen wichtigen Schritt mit der Hauptversammlung des Vereins vorab abzustimmen. Dadurch verletzte sie die Satzungen der Mozartgemeinde (nachstehend nur als „Satzungen“), die im Artikel 15 das Entscheiden über das Eigentum des Vereins ausschließlich nur in den Wirkungsbereich der Hauptversammlung vorsehen. Der Artikel 21 der Satzungen berechtigte die Vorsitzende der Mozartgemeinde nicht zur Veräußerung ihres Eigentums, welche die Schenkung der Liegenschaft zweifellos darstellt. Die Beschwerdeführerin ist überzeugt, dass die Überschreitung der Kompetenz seitens der Vorsitzenden der Gemeinde der anderen Partei bekannt sein musste und daher nicht zur gültigen Rechtshandlung der Liegenschaftsübertragung führen durfte. Die Angeklagte hatte die Satzungen der Beschwerdeführerin auch im Jahre 1986 zur Verfügung, als ihr Rechtsvorgänger mit der Beaufsichtigung ihrer Tätigkeit beauftragt wurde. Sie kann jetzt also nicht behaupten, dass es nicht ihre Pflicht war, den Befugnisumfang des satzungsgemäßen Vertreters des Vereins zu prüfen. Die Beschwerdeführerin betonte abschließend, dass die Schenkung von „Bertramka“ durch das damalige politische Klima erzwungen wurde, da sich die Gesellschaft damals mit der Existenz eines privaten Vereins nur sehr ungern abgefunden hatte.

Gleichzeitig mit der Verfassungsbeschwerde legte die Beschwerdeführerin eine Appellation zum Obersten Gericht der CR ein. Aufgrund dieser Tatsache stellte das Verfassungsgericht das Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin durch seinen Beschluss vom 27. November 2002 ein.  Das Oberste Gericht der CR lehnte durch seinen Beschluss vom 17.12.2002 die Appellation der Beschwerdeführerin als unzulässig ab. Sein Beschluss berührte also den Sachverhalt in keinerlei Hinsicht, daher konnte das Verfassungsgericht das Verfahren über die Verfassungsbeschwerde fortsetzen.

Das Verfassungsgericht prüfte zuerst die formalen Erfordernisse des Antrags der Beschwerdeführerin und stellte fest, dass die Verfassungsbeschwerde rechtzeitig eingelegt wurde, dass die Beschwerdeführerin berechtigt ist, die Beschwerde einzulegen, dass sie ordnungsgemäß vertreten wurde und alle Rechtsmittel, die ihr das Gesetz für die Verteidigung ihres Rechtes bietet, bereits ausschöpfte.

Danach befasste sich das Verfassungsgericht mit der Gerechtfertigkeit der Verfassungsbeschwerde, womit im Verfahren vor dem Verfassungsgericht die Bedingung zu verstehen ist, ob durch den angefochtenen Beschluss ein Menschenrecht oder eine Grundfreiheit der Beschwerdeführerin verletzt wurde. Nach seiner Prüfung stellte das Verfassungsgericht fest, dass die Verfassungsbeschwerde begründet ist.

Aus der Akte Az: 14 Cm 31/96 des ehemaligen Bezirkshandelsgerichtes in Prag (jetzt Stadtgericht in Prag) stellte das Verfassungsgericht fest, dass der gegenständliche Sachverhalt bereits seit 1991 behandelt wurde. Zuerst beschloss die ehemalige Staatsarbitrage in ihrem Urteil vom 7.11.1991, dass der zwischen der Beschwerdeführerin und dem ehemaligen Volkskomitee für Prag 5 geschlossene Schenkungsvertrag vom 16.1.1986, durch welchen der Staat das Objekt „Bertramka“ samt Grundstücke in sein Eigentum erwarb, gültig ist. Zur Berufung der Beschwerdeführerin beschloss das Oberste Gericht der CR, damals das Berufungsgericht, durch sein Urteil vom 10.3.1992 den Beschluss der Staatsarbitrage aufzuheben und den Sachverhalt an das Bezirkshandelsgericht in Prag zur weiteren Verhandlung zurückzugeben. Dieses lehnte die Klage der Beschwerdeführerin auf die Herausgabe von Sachen („Bertramka“ samt Grundstücke) mit dem Urteil vom 5.11.1993 ab. Aufgrund einer weiteren Berufung der Beschwerdeführerin änderte das Oberste Gericht in Prag mit dem Urteil vom 24.5.1995 das Urteil des Bezirkshandelsgerichtes in dem Sinne, dass der Angeklagten auferlegt wurde, „Bertramka“ der Beschwerdeführerin herauszugeben.

Dann folgte die Appellation der Angeklagten, über die das Oberste Gericht der CR mit seinem Urteil vom 6.3.1996 beschloss, das Urteil des Obersten Gerichtes in Prag aufzuheben und den Sachverhalt zur weiteren Verhandlung zurückzugeben. Anschließend hob das Oberste Gericht durch sein Urteil vom 15.8.1996 das Urteil des Bezirkshandelsgerichtes in Prag vom 5.11.1993 auf und gab ihm, als dem Gericht erster Instanz, den Sachverhalt zur weiteren Verhandlung zurück.

Das Bezirkshandelsgericht in Prag (nachstehend auch als „Gericht erster Instanz“) lehnte mit seinem Urteil vom 14.4.2000 die Feststellungsklage der Beschwerdeführerin auf die Feststellung ab, dass sie die Eigentümerin von „Betramka“ ist. Nach einer umfangreichen Beweisführung beschloss das Gericht, dass keine Zeugenaussage ergab, dass die Prof. J.S. die Rechtshandlung, d.h. die Unterzeichnung des Schenkungsvertrages, infolge einer rechtswidrigen Androhung vorgenommen hätte. Keiner der Zeugen konnte konkretisieren, wer und auf welche Weise von der Genannten die erwähnte Willenserklärung erzwang. Das Gericht erster Instanz nahm als nachgewiesen, dass die Vorsitzende der Mozartgemeinde zur Zeit der Schenkung der Liegenschaft unter Verstimmung und Stress litt, es wurde jedoch keine psychische Nötigung ihr gegenüber nachgewiesen. Auch wurde die absolute Nichtigkeit des Schenkungsvertrages infolge der Absenz freien Willens bei seinem Abschluss durch keine Urkundenbeweise nachgewiesen. Laut Beschluss des Gerichtes erster Instanz wurde im Verfahren nicht nachgewiesen, dass die Prof. J.S. unter psychischem Druck gestanden hätte.

Bezüglich der Nichtigkeit der Rechtshandlung wegen Überschreitung der Befugnis der Prof. J.S. als Vorsitzenden der Mozartgemeinde, "Betramka" dem Staat zu schenken (sie handelte in Widerspruch zu den Satzungen dieses Vereins), konnte die Beschwerdeführerin gemäß Beschluss des Gerichtes erster Instanz nicht nachweisen, dass die Angeklagte mit dem Inhalt dieser Satzungen vertraut war. Die beim damaligen Volkskomitee für Prag 5 geführte Akte enthielt die Satzungen nicht. Das Gericht erster Instanz beschloss daher, dass es sich im Einklang mit dem § 20 Abs. 2 ZGB, i.d.F. des Gesetzes Nr. 131/1982 Slg. um eine gültige Rechtshandlung.

Nach der Berufung der Beschwerdeführerin bestätigte das Oberste Gericht in Prag in seinem Urteil vom 17.1.2001 das Urteil des Gerichtes erster Instanz. Laut Begründung des Urteils stimmt das Oberste Gericht im vollen Umfang dem Gericht erster Instanz in seinem Beschluss darüber zu, dass keine konkreten rechtswidrigen Androhungen gegenüber der Beschwerdeführerin oder Personen, die für sie handelten, nachgewiesen wurden (§ 37 ZGB). Die Formen, in welchen sich damals die Bemühungen des Staates, eine bedeutende Liegenschaft in sein Eigentum zu erwerben, äußerten, waren dem Charakter des damaligen autoritativen Staats eigen, der auch im Kulturbereich nicht immer angemessen, sondern aus der Position eines nachdrücklich vertretenen sog. öffentlichen Interesse aufgetreten ist. Dies führte zu einer Situation, in der sich die Funktionäre der Beschwerdeführerin berechtigt unter zweierlei Druck fühlten, der einerseits durch den objektiven Zustand des Gebäudes und anderseits durch das Bewusstsein, dass sie es nicht halten können und dem Staat übergeben müssen, begründet wurde. Sehr wichtige Umstände waren eben die ökonomische Notlage und die Rücksicht auf den Zustand des Denkmals, die die Beschwerdeführerin dazu bewegten, dass sie überhaupt eine Schenkung der Liegenschaft dem Staat in Betracht zog. Ohne diese Tatsache hätte sie sich einem solchen Druck zweifellos nicht unterzogen. Das Oberste Gericht beschloss, dass aus den umfangreichen Ermittlungen des Gerichtes erster Instanz nichts daraufhin deutet, dass der Schenkungsvertrag bezüglich der gegenständlichen Liegenschaften unter rechtswidriger Androhung geschlossen wurde, die eine begründete Furcht im Sinne § 37 ZGB hervorgerufen hätte, bzw. dass ein solcher Druck im ursächlichen Zusammenhang mit der gegenständlichen Rechtshandlung gestanden hätte. Es ist nicht zu bezweifeln, dass der Vertrag unter drückenden Verhältnissen der Beschwerdeführerin geschlossen wurde. Laut Berufungsgericht ist dies jedoch für die Beurteilung des Sachverhaltes im Hinblick auf die absolute Ungültigkeit des Vertrages nicht maßgeblich und konnte nur ein Grund für einen eventuellen Vertragsrücktritt sein, der jedoch nicht erfolgte.

Das Oberste Gericht beurteilte auch die Frage der Verbindlichkeit des Schenkungsvertrages im Hinblick auf die Berechtigung der für die Beschwerdeführerin handelnden Personen. Er stützte sich auf die Bestimmung des § 20, unter Anwendung des § 496 ZGB, im Wortlaut des Gesetzes Nr. 131/1982 Slg., da es sich um ein Rechtsverhältnis zwischen dem Staat und einem Verein handelte, der keinen Charakter einer sozialistischen Organisation hatte. Das Gericht gab an, dass es sich an die feststehende Auslegung der Rechtstheorie stützte, nach welcher die Berechtigung eines satzungsgemäßen Organs zur Vornahme von Rechtshandlungen bereits im Gesetz oder in Organisationsvorschriften begründet ist, sodass das satzungsgemäße Organ bereits damals berechtigt war, im Namen der Organisation in allen Sachen zu handeln. Seine Berechtigung, im Rahmen der Aufgaben der Organisation zu handeln, war daher uneingeschränkt und deshalb entfällt auch die Anwendung des § 20 Abs. 2 ZGB, der die Möglichkeit zugelassen hat, dass die Organisation an die Handlungen ihrer Mitarbeiter oder Mitglieder nicht gebunden war. Die Berechtigung für die Organisation zu handeln, wurde bereits damals in dem Sinne ausgelegt, in dem die Fassung des Zivilgesetzbuchs durch das Gesetz Nr. 509/1991 Slg. novelliert wurde. Anderenfalls wäre die Rechtssicherheit bei der Schaffung rechtlicher Beziehungen gefährdet, die durch diejenigen eingegangen werden, die für die Organisation Rechtshandlungen vornehmen. Auch wenn im gegenständlichen Sachverhalt, gemäß § 15 Abs. 1 der Satzungen, die Genehmigung der Verfügungen über Liegenschaften der Hauptversammlung des Vereins vorbehalten war, wäre es nicht möglich, auch bei einer extensiven Erweiterung dieser Berechtigung auf die Schenkung der Liegenschaft, dies als ein Hindernis der Verbindlichkeit des Vertrages für die Beschwerdeführerin aufgrund einer Überschreitung der Befugnisse der für die Beschwerdeführerin handelnden Personen auszuwerten, das die Rechtshandlung durch ihr satzungsgemäßes Organ getätigt wurde. Gegen dieses Urteil legte die Beschwerdeführerin eine Appellation ein, die vom Obersten Gericht der CR durch seinen Beschluss vom 17.12.2002 als unzulässig abgelehnt wurde. Nach einer Prüfung der umfangreichen Akte kam das Verfassungsgericht zum Schluss, dass die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin begründet ist.

Das Verfassungsgericht stellt in erster Reihe fest, dass seine Aufgabe der Schutz der Verfassungsmäßigkeit (Art. 83 der Verfassung der CR) ist, nicht der Schutz sog. gewöhnlicher Gesetzmäßigkeit, sofern sich gleichzeitig nicht um eine Verletzung der Verfassungsrechte des Beschwerdeführers handelt. Das Verfassungsgericht gehört nicht zum System allgemeiner Gerichte, deshalb obliegt ihm auch nicht das Recht, die Tätigkeit der allgemeinen Gerichte zu beaufsichtigen. Er ist nur dann berechtigt, in diese einzugreifen, falls durch deren rechtskräftigen Beschlüsse die durch die Verfassungsordnung der Tschechischen Republik geschützten Grundrechte und –freiheiten verletzt wurden.

Das Verfassungsgericht prüfte daher, ob die allgemeinen Gerichte durch ihre Beschlüsse bei der Beurteilung der Gültigkeit des gegenständlichen Schenkungsvertrages die Grenzen und Grundsätze eines gerechten Verfahrens nicht überschritten und dadurch eines der Grundrechte und Grundfreiheiten der Beschwerdeführerin nicht verletzten. Dazu kommt es dann, wenn die Rechtsbeschlüsse des Gerichtes in einem extremen Missverhältnis zu den Sachverhaltsfeststellungen stehen oder sich aus diesen in keiner möglichen Auslegung des Gerichtsbeschlusses ergeben, bzw. wenn die Sachverhaltsfeststellungen in einem extremen Missverhältnis zu den durchgeführten Beweisen stehen.

Dem Verfassungsgericht obliegt nicht, die durch allgemeine Gerichte vorgenommene Beurteilung der Beweisführung zu „umwerten“ (auch wenn es sich damit selbst nicht identifizieren würde), falls dadurch die verfassungsrechtlich geschützten Freiheiten oder Grundrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt werden. Das Verfassungsgericht könnte die durchgeführten Beweise im Widerspruch zu der Bewertung, die durch allgemeine Gerichte erfolgte, nur ausnahmsweise beurteilen (siehe Befund Az. III. ÚS 84/94, C.H. Beck, Praha, Band 3/1995, S. 257). In dem Fall, wenn die rechtlichen Beschlüsse des Gerichtes in einem extremen Missverhältnis zu den durchgeführten Sachverhaltsfeststellungen sind oder sich aus diesen in keiner möglichen Auslegung der Begründung des Gerichtsbeschlusses ergeben, ist ein solcher Beschluss als im Widerspruch zum Art. 36 Abs. 1 der Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie zum Art. 1 der Verfassung der Tschechischen Republik stehend zu bewerten. Eine solche Situation trat im geprüften Sachverhalt ein.

Aus dem Verfahren vor allgemeinen Gerichten ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin durch eine Klage die Erlassung eines Urteils über die Feststellung des Eigentumsrechtes zu den oben genannten Liegenschaften geltend machte. Ihre Klage stützte sie insbesondere auf das Argument, dass der Schenkungsvertrag vom 16.1.1986 gemäß § 37 des damals gültigen Zivilgesetzbuchs nichtig ist, und dies erstens deshalb, das auf die Vorsitzende der Mozartgemeinde, Prof. J.S., beim Abschluss des Schenkungsvertrages Druck ausgeübt wurde und zweitens deshalb, da die Prof. J.S. gemäß Satzungen nicht berechtigt war, diesen Schenkungsvertrag abzuschließen.

Die Gerichte beider Instanzen, die über den Sachverhalt zuletzt entschieden, kamen zum übereinstimmenden Beschluss, dass im Verfahren nicht nachgewiesen wurde, dass der Schenkungsvertrag über die Schenkung von Bertramka unter einer rechtswidrigen, eine begründete Furcht im Sinne des § 37 ZGB hervorrufenden Androhung geschlossen gewesen wäre, bzw. dass ein solcher Druck im ursächlichen Zusammenhang mit der jeweiligen rechtlichen Handlung gestanden hätte. In der Frage der Nichtigkeit des Schenkungsvertrages wegen Überschreitung der Vertretungsbefugnisse der Prof. J.S. als Vorsitzender der Mozartgemeinde wegen Widerspruch zu den Satzungen des Vereins kamen sie zum gleichen Beschluss, dass der Schenkungsvertrag gültig ist.

Die allgemeinen Gerichte befassten sich ziemlich umfangreich mit der Ermittlung der Umstände, unter welchen am 16.1.1986 zwischen der Beschwerdeführerin und dem damaligen Volkskomitee für Prag 5 der Schenkungsvertrag geschlossen wurde, durch welchen der Staat damals das Objekt „Bertramka“ samt Grundstücke erwarb. Die Gültigkeit des Schenkungsvertrages als Rechthandlung wurde gemäß § 37 ZGB beurteilt, nach welchem: „die Rechtshandlung frei und ernst, bestimmt und verständlich zu tätigen ist, ansonsten ist sie nichtig“. Die Gerichte konzentrierten sich insbesondere auf die Erklärung der Tatsache, ob der Wille der Prof. J. S., der damaligen Vorsitzenden des Vereins, Bertramka dem Staat zu schenken, durch eine psychische Nötigung beeinflusst war. Sie kamen zum Schluss, dass sich aus keinem der Beweise eindeutig ergab, dass die Vorsitzende der Mozartgemeinde, Prof. J.S., den Schenkungsvertrag unter einer rechtswidrigen, eine begründete Furcht im Sinne des § 37 ZGB hervorrufenden Androhung geschlossen worden wäre. Eine logische Folge der oben genannten Beschlüsse der allgemeinen Gerichte sollte daher der Schluss sein, dass die Beschwerdeführerin, mittels Prof. J.S., Betramka dem Staat frei geschenkt hatte, und die Tatsache, dass Prof. J.S. im Widerspruch zu den Satzungen des Vereins handelte, für den Sachverhalt nicht maßgeblich ist.

Diesem Schluss kann jedoch das Verfassungsgericht nicht zustimmen, da er in Widerspruch zu den Tatsachen steht, die sich aus der Akte Az. 14 Cm 31/96 des ehemaligen Bezirkshandelsgerichtes, jetzt Stadtgerichtes in Prag ergeben. Aus dem Inhalt dieser Akte ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin insbesondere seit 1983 unter einem systematischen Druck stand, der auf die Übertragung von Betramka in das Staatseigentum gezielt wurde (siehe Aussagen der Zeugen, z.B. J. V., Blattnr. 26 der Akte, O. P., Blattnr. 27, M. K., Blattnr. 42, M. K., Blattnr. 219, Z. J., Blattnr. 128 der Akte, J. S., Blattnr. 232 der Akte usw.).

Den organisierten Druck auf die Beschwerdeführer in der angedeuteten Richtung bezeugt indirekt auch die Fotokopie des Schreibens, der vom Direktor des Nationalmuseums in Prag, Dr A.Č. an das Kulturministerium der CR am 2. September 1982  (Blattnr. 116 der Akte) gerichtet war, oder das Schreiben des gleichen Absenders an den I. stellvertretenden Kulturminister der ČSR M. K. vom 3. Januar 1986 (Blattnr. 101 -102 der Akte).

Bei der Beurteilung des Sachverhalts berücksichtigten die allgemeinen Gerichte auch nicht ausreichend die damaligen Verhältnisse und Umstände, unter welchen die Schenkung von Betramka erfolgte. Die Mozartgemeinde war ein nach Maßgabe des Gesetzes Nr. 68/1951 Slg. bestehender Verein, es handelte sich also um eine „nicht sozialistische Organisation“, deren Existenz und Tätigkeit zwar „toleriert“, aber nicht erleichtert wurde. Dem Verein wurde z.B. nicht erlaubt, so zu arbeiten, dass er finanzielle Mittel für seine Tätigkeit sowie für die Wartung von Bertramka verdienen konnte.

In diesem Zusammenhang ist die Begründung des angefochtenen Urteils des Obersten Gerichtes in Prag als Berufungsgerichtes widersprüchlich. Einerseits wird im Urteil festgestellt, dass Formen, in welchen sich damals die Bemühungen des Staats um den Erwerb der bedeutenden Liegenschaft in sein Eigentum äußerten, dem Charakter des damaligen autoritativen Staats eigen waren. Die Funktionäre der Beschwerdeführerin mussten sich daher berechtigt unter zweierlei Druck gefühlt haben - erstens war es der Zustand des Denkmals und zweitens das Bewusstsein, dass sie es nicht halten können und dem Staat schenken werden müssen. Ein wichtiger Umstand war eben die ökonomische Not und die Rücksicht auf den Zustand des Denkmals, die die Beschwerdeführerin dazu führten, die Schenkung der Liegenschaft dem Staat überhaupt in Betracht zu ziehen. Ohne diese Tatsache hätte sie sich einem solchen Druck zweifellos nicht unterzogen (Seite 4. des Urteils). Andererseits kommt das Gericht zum Schluss, dass nichts daraufhin deutet, dass der Schenkungsvertrag über die Schenkung der gegenständlichen Liegenschaften unter einer rechtswidrigen, eine begründete Furcht im Sinne des § 37 ZGB hervorrufenden Androhung geschlossen worden wäre bzw. dass ein solcher Druck im ursächlichen Zusammenhang mit der gegebenen Rechtshandlung gestanden hätte. Es lässt zu, dass der Vertrag unter drückenden Verhältnissen der Beschwerdeführerin geschlossen wurde, dies hält das Gericht jedoch nicht im Hinblick auf die absolute Nichtigkeit des Vertrages für maßgeblich, diese Tatsache konnte nur ein Grund zum eventuellen Rücktritt vom Vertrag sein (S. 5 des Urteils).

Die interne Widersprüchlichkeit der Begründung dieses Urteils besteht darin, dass es einerseits die Existenz des Drucks zugibt, anderseits seine Bedeutung bagatellisiert und in den Bereich der "Not und auffällig ungünstigen Bedingungen" im Sinne des § 49 Abs. 3 ZGB in damaliger Fassung verschiebt. Die Bestimmung des § 37 des damals gültigen ZGB (heute § 37 Abs. 1) lautet jedoch klar, da es sich aus ihm eindeutig ergibt, dass der Wille entweder frei ist, und dann auch die Handlung gültig ist, oder nicht frei ist, was dann die absolute Nichtigkeit einer solchen Handlung zur Folge hat.

Bei der Auslegung des "freien Willens“ der Vertreter der Beschwerdeführerin zurzeit der Schenkung von Betramka ist nur schwer vorstellbar, dass ein Verein, der seine Entstehung im Jahre 1927 und seine spätere Existenz nur Bertramka verdankte, deren Eigentümer er war, auf das Wesen seiner Existenz verzichtet, freiwillig und ohne Druck, nur um den Staat zu beschenken, der ihm seine Tätigkeit überhaupt nicht erleichterte. Bertramka war doch der Grund für die Entstehung der Mozartgemeinde und die Basis der Tätigkeit dieses Vereins. Laut Verfassungsgericht kann also das Vorhandensein des freien Willens der Beschwerdeführerin nur in diesem Kontext beurteilt werden und sich nicht nur formalistisch auf das Nachweisen sog. "rechtswidriger Androhung" im Sinne des Kommentars zum § 37 ZGB konzentrieren. Zur Argumentation des Berufungsgerichtes, welches zur Beurteilung des Schenkungsvertrages als einer in Not erfolgten Rechtshandlung neigte, ist anzumerken, dass die Bedingungen für den Vertragsrücktritt gemäß § 49 Abs. 3 ZGB (heute § 49 ZGB) immer kumulativ festgelegt wurden, d.h. es mussten immer die Not und auffällig ungünstige Bedingungen gleichzeitig vorhanden sein. „Auffällig ungünstige Bedingungen“ bei einem Schenkungsvertrag, in dem keine Gegenleistung besteht, in Betracht zu ziehen, ist sinnlos.

Das Verfassungsgericht befasste sich ferner mit der Frage, ob die allgemeinen Gerichte bei der Beurteilung der Gültigkeit des gegenständlichen Schenkungsvertrages im Hinblick auf die Befugnis der Vorsitzenden der Mozartgemeinde, einen solchen Vertrag zu schließen, die Grenzen der Verfassungsmäßigkeit verletzten.

Das Gericht erster Instanz beschloss bei der Beurteilung dieser Frage, dass die Beschwerdeführerin nicht nachweisen konnte, dass der Angeklagte, das damalige Volkskomitee für Prag 5, über den Inhalt dieser Satzungen informiert wurde. Dann beschloss es nach Maßgabe des § 20 Abs. 2 des damals gültigen ZGB, i.d.F. des Gesetzes Nr. 131/1982 Slg. (nachstehend nur als ZGB), dass es sich um eine gültige Rechtshandlung handelte. Das Gericht erster Instanz widmete sich jedoch ungenügend dem Nachweisen der Tatsache, ob das damalige Volkskomitee für Prag 5 die Satzungen der Mozartgemeinde zur Verfügung hatte, ob es deren Inhalt kannte. Es gab sich nur mit der Feststellung zufrieden, dass die beim Volkskomitee für Prag 5 geführte Akte die Satzungen nicht enthielt, und stützte seinen Beschluss nur auf diese Tatsache. Aus der Gerichtsakte ergibt sich jedoch, dass bei der Verhandlung des damaligen Bezirkshandelsgerichtes in Prag vom 18.10.1993 die Satzungen der Mozartgemeinde aus dem Jahre 1951 als Beweis vorgelesen wurden. In der Begründung des Urteil dieses Gerichtes vom 5.11.1993, Az.: 14 Cm 626/92 - 64, wird gesagt, dass der Kläger (d.h. die Beschwerdeführerin) nicht nachweisen konnte, dass der Angeklagte den Inhalt der Satzungen gekannt hätte. Aus dieser Behauptung ging auch das Gericht erster Instanz aus, welches bei seiner Beweisführung schwer verfehlte, da es sich grundsätzlich nicht mit der Tatsache befasste, ob das Volkskomitee zur Zeit der Unterzeichnung des Vertrages die Satzungen zur Verfügung hatte, deren Inhalt kannte oder nicht.

Dieser Schluss, d.h. dass die angeklagte Partei den Inhalt der Satzungen nicht kannte, ist unglaubwürdig. Zu der Zeit existierten im Bezirk des Volkskomitees für Prag 5 bestimmt nicht viele nicht sozialistische Organisationen, damit dieses Organ über diese keine genaue Übersicht hätte haben können, insbesondere dann, wenn es sich um einen privaten Verein wie Mozartgemeinde handelte, der ein so wichtiges Objekt im Besitz hatte. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich die damaligen Funktionäre des Volkskomitees für Prag 5 bei der Übernahme dieses bedeutenden Objektes mit den rechtlichen Aspekten dieses Vertrages sowie mit der Stellung des Spenders nicht befasst hätten. Es ist nur schwer zu glauben, dass die Vertreter des beschenkten Staates die Satzungen der Beschwerdeführerin nicht gekannt hätten, insbesondere dann, wenn die Aufmerksamkeit berücksichtigt wird, die damals den Übertragungen des "Volkseigentums" geschenkt wurde. Bei Verfügungen über das sog. nationale Eigentum, einschl. seines Erwerbs, waren doch alle Funktionäre sehr umsichtig, da sie sich seines „erhöhten Schutzes“ bewusst waren. Falls keiner der erwähnten Funktionäre damals nicht als erforderlich erachtete, sich mit der Frage der Satzungen zu befassen, zeugt dies eher von einer Missachtung des Rechtes infolge der Machtstellung, die der damalige Staat den nicht sozialistischen Organisationen wie Mozartgemeinde gegenüber damals vertrat. Wenn die Funktionäre des Volkskomitees für Prag 5 auf diese Weise vorgegangen sind, kann diese Tatsache nicht zu Last der Beschwerdeführerin gehen.

Das Berufungsgericht beurteilte diese Frage nur nach Maßgabe des § 20, unter Anwendung des § 496 des damals gültigen ZGB. Er beschloss, dass die Vorsitzende des Vereins berechtigt war, den Verein nach außen als sein satzungsgemäßes Organ zu vertreten (siehe oben).

Das Verfassungsgericht identifizierte sich nicht mit dieser Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes. Das Berufungsgericht ging aus einer extensiven Auslegung des damals gültigen § 20 ZGB und stütze sich auf die Meinungen der Rechtstheorie, die im Kommentar zu dieser Bestimmung enthalten sind, was bei der Beurteilung dieser Sache nicht akzeptierbar ist. Bei der Beurteilung der Grenzen der Berechtigung, für die Mozartgemeinde zu handeln, ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine sog. andere sozialistische Organisation handelte. Das Zivilgesetzbuch kannte den Begriff „satzungsgemäßes Organ“ nicht. Der Umfang der Berechtigung, für eine Organisation zu handeln, war daher gemäß Gesetz oder gemäß Organisationsvorschriften dieser Organisation zu beurteilen, in diesem Fall gemäß den Satzungen des Vereins. Dazu kann die Schenkung einer Eigentumsbasis des genannten Vereins, und dies war Betramka gewiss, nur mit einer großen Fantasie als eine Rechtshandlung im Rahmen der Erfüllung der Aufgaben dieser Organisation gewertet werden. Das Berufungsgericht verletzte dadurch, dass er die extensive Auslegung des § 20 ZGB angewandt hatte, nicht nur die Grenzen der Gesetzmäßigkeit, sondern auch die Grenzen der Verfassungsmäßigkeit im Sinne des Art. 36 Abs. 1 der Konvention.

Im Hinblick auf die oben genannten Tatsachen stellt das Verfassungsgericht fest, dass die allgemeinen Gerichte mit ihren durch die Verfassungsbeschwerde angefochtenen Urteilen bei der Beurteilung der Gültigkeit des gegenständlichen Schenkungsvertrages die Grenzen und Grundsätze eines gerechten Prozesses gemäß Art. 36 Abs. 1 der Konvention verletzten, da ihre rechtlichen Beschlüsse in einem extremen Missverhältnis zu den Sachverhaltsfeststellungen stehen. Durch eine zu restriktive Auslegung des § 37 ZGB und eine übermäßig extensive Auslegung des § 20 des gleichen Gesetzes wurde seitens der allgemeinen Gerichte das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf einen gerechten Prozess im Sinne des Art. 36 Abs. 1 der Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzt.

Vollständigkeitshalber ist hinzuzufügen, dass die Beschwerdeführerin ebenfalls den Einwand erhob, dass bei der Beschlussfindung der allgemeinen Gerichte ihr Recht auf Eigentum gemäß Art. 11 der Konvention verletzt wurde. Diesen Hinweis begründete sie jedoch nicht näher, dagegen hat sie sehr umfangreich die Vorgehensweise bei der Beschlussfindung der Gerichte beider Instanzen angefochten. Das Verfassungsgericht befasste sich daher auch mit der behaupteten Verletzung des Art. 11 der Konvention, also des Rechtes auf Eigentum. Hierzu ist anzuführen, wie bereits vom Verfassungsgericht mehrmals judiziert wurde, dass durch den genannten Artikel der Konvention das Eigentumsrecht an sich, also das bereits bestehende Eigentumsrecht geschützt ist, und nicht nur der behauptete Anspruch auf dieses Recht. Anhand der oben genannten Gründe hat das Verfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin anerkannt und die angefochtenen Urteile der Gerichte beider Instanzen gemäß § 82 Abs. 3 Buchst. a) Gesetz Nr. 182/1993 Slg., über Verfassungsgericht, i.d.F. späterer Vorschriften aufgehoben.

Belehrung: Gegen den Befund des Verfassungsgerichtes ist keine Berufung zulässig.

In Brünn, am 14. Juli 2004